FB 1964 - German Steel

FB 1964 – German Steel

Bornkamp Records / Guma Records
2021

Moshen für den Regenwald, das scheint das Motto von Frank Badenhop zu sein, der mit „German Steel“ das fünfte Album seiner Band FB 1964 vorlegt: Der umweltbewusste Gitarrist hat es sich offenbar zur Tradition gemacht, die Einkünfte seiner musikalischen Aktivitäten der Regenwaldrettung zu spenden. Als Soundtrack gegen das Waldsterben wählten FB 1964 auf den Vorgängeralben dezent symphonisch angehauchten Power Metal und bewiesen dabei immer wieder ein Händchen für namhafte Gastmusiker (so trällerten unter anderem schon Grave-Digger-Röhre Chris Boltendahl und Overkill-Fronter Bobby „Blitz“ Ellsworth für das Projekt), auf „German Steel“ hingegen gibt’s eine kleine Kurskorrektur: Statt pompösen Eigenkompositionen enthält die Scheibe ausschließlich Cover-Songs ausgewählter deutscher Metal-Stücke – für Badenhop gewohntes Terrain, hat er sich mit seiner früheren Band Headbangers Nightmare doch schon eifrig Sporen als Cover-Musiker verdient. Was gleich bleibt, ist die Vorliebe für Gastmusiker: 14 Sängerinnen und Sänger sowie 20 Gitarristinnen und Gitarristen geben sich auf den 14 Songs des Albums die Klinke in die Hand – darunter so große Namen wie Tim „Ripper“ Owens (u. a. ex-Judas Priest, ex-Iced Earth und ex-Yngwie Malmsteen) und die beiden (ex-)Rainbow-Sänger Graham Bonnet und Ronnie Romero.

Noch ein weiteres Metal-Cover-Album, braucht’s das wirklich? Der ein oder andere wird hier ganz sicherlich gleich unken, und ganz unberechtigt ist die Frage nicht. Klassiker wurden schon zur Genüge gecovert und im Zweifel greift der qualitätsbewusste Haareschüttler sowieso meist zum Original. Was für „German Steel“ spricht, sind aber vor allem drei Argumente: Erstens die bereits erwähnte illustre Riege von Metal-Prominenz am Mikro, zweitens die kleinen Überraschungen bei der Wahl der Stimmen und drittens die ungewöhnliche Songauswahl. Klar, einige unvermeidliche Namen im deutschen Metal sind dabei, die Scorpions fehlen genauso wenig wie Helloween und Accept, aber die knappe Hälfte des Materials ist aus Underground-Fundstücken geschmiedet, von denen die wenigsten etwas gehört haben dürften. Schon mal was von Waxx gehört, deren obskures 84er-Demo „A Giant Step for Mankind“ noch nicht mal auf den Metal Archives zu finden ist? Oder Mandrake, die nach einem Demo und einem Live-Album im Nirvana verschwunden sind? Secrecy, anyone? Nein? Dann dürfte dieses Album ein schöner Anlass zum (Wieder-)Entdecken vergessener Schätze sein.

Abgesehen von solch musikalischer Perlentaucherei liegt die Stärke des Albums vor allem in den erwähnten stimmlichen Überraschungen: FB 1964 haben offenbar große Freude daran, ursprünglich männlich besetzte Songs von Frauen singen zu lassen und umgekehrt. Das hat durchaus seinen Reiz und gibt den Stücken immer wieder ein unerwartet neues Feeling. Hier punktet vor allem das Warlock-Cover „Evil“, das von dem auf YouTube gefeierten Bruce-Dickinson-Imitator Raphael Mendes eingesungen wird – wer immer schon mal wissen wollte, wie Warlock klingen würden, wenn anno 1985 nicht Doro, sondern der Iron-Maiden-Sänger hinterm Mikro gestanden hätte, wird hier seine Freude haben. Auch der schwedische Shooting Star Liv Jagrell (ex-Sister Sin, Liv Sin) poliert „Ragin‘ Water“ der niedersächsischen Speed-Metaller Mandrake gehörig auf. Den Kreativitätspreis gewinnt „Chains and Leather“ von Running Wild, das von der Kinder-Synchronsprecherin Victoria Glück gelungen verniedlicht wird.

Höhepunkte sind aber natürlich die Auftritte der ganz großen Namen: Tim Owens macht beim MSG-Cover „Save Yourself“ seinem Ruf als „Scream Machine“ alle Ehre, Ronnie Romero verleiht Helloweens „How Many Tears“ einen Hauch mehr Pathos und Graham Bonnet macht ausgerechnet eines der wahrscheinlich unbekanntesten Stücke des Albums zum besonderen Glanzlicht: „Crazy“ von The Renegades wird mit ihm zu einem Melodic-Rock-Hit, der jedem Pretty-Maids-Fan vor Freude das Bier im Magen glucksen lässt.

Klare Kaufempfehlung also? Jein. Auch trotz mancher gelungener Überraschungen bei der Auswahl der Songs und Stimmen bleibt „German Steel“ nun mal das, was es ist: Ein Cover-Album voller Songs, die man auch im Original hören könnte. Um wirklich aufregend zu sein, hätte es hier ein wenig mehr Mut gebraucht, den Songs durch andere Arrangements und Experimente an der Instrumentenfront eine neue Wirkung zu entlocken. Abzüge gibt’s auch in Bezug auf die Aufmachung, denn das billige Jewelcase mit hemdsärmlig in Photoshop zusammengekleistertem Booklet will sich nun wirklich niemand ins Regal pflanzen. Aber vielleicht ist es auch gar nicht die Ambition von FB 1964, eine breite Hörerschaft zu erreichen oder das Nonplusultra im Bereich der Cover-Musik zu werden. Ganz offensichtlich steht hier mehr die Freude im Vordergrund, alte Demos und selten gehörte Songs auszubuddeln und mit einem großen Freundeskreis an Musikerinnen und Musikern neu zu interpretieren. Ein All-Star-Projekt also, bei dem es nur um den Spaß im Studio geht – und darum, den Regenwald zu retten. Und das ist doch manchmal auch genug.

Tracklist
1. Hoch auf dem gelben Wagen
2. Evil (Warlock-Cover)
3. Neon Nights (Accept-Cover)
4. How Many Tears (Helloween-Cover)
5. Frame of Mind (Straight-Shooter-Cover)
6. When the Rainbow Meets the Eye (Waxx-Cover)
7. Crazy (The-Renegades-Cover)
8. Ragin‘ Water (Mandrake-Cover)
9. Dreamer (Lucifer-Cover)
10. Save Yourself (McAuley-Schenker-Group-Cover)
11. Trisomie XXI (Secrecy-Cover)
12. We’ll Burn the Sky (Scorpions-Cover)
13. Behind the Mask (Headbangers-Nightmare-Cover)
14. Chains and Leather (Running-Wild-Cover)

Geschrieben von Philipp am 16. April 2021