Grylle - Les Grandes Compagnies

Grylle – Les Grandes Compagnies

Antiq Records
2019

Die Franzosen Grylle spielen einen echt kruden Mix aus Mittelaltermusik und Black Metal, die sicherlich nicht jedem ganz rund ins Ohr gehen wird. Wer aber die Amis von Obsequiae in sein Herz geschlossen hat, der wird auch hier sicherlich Freudensprünge vollführen können. Wenn man sich die vielen positiven Kommentare zu „Les Grandes Compagnies“ auf Bandcamp so anschaut, dann scheint es doch sehr viele Menschen zu geben, die exakt auf so eine Stilrichtung abfahren. Warum, das werde ich nun im Selbstversuch zu ergründen versuchen.

Mit schönen Harfen- und Flötenklängen sowie einer männlichen und weiblichen Erzählstimme wird man im Intro-artigen Song „En la Forest Dennuyeuse Tristesse“ sanft angestachelt, sich unverzüglich auf die noch unbekannte, aber spannende Reise zu begeben, auf eine abenteuerliche Exkursion, welche den Glanz der Vergangenheit neu zu entfachen verspricht. Und so verlockend wie dieser Song ist, folgt man natürlich voller Freude dem Ruf der beiden Barden. Beim nächsten Tonstück kollidiert man aber zunächst mit der recht harten, stark vom Black Metal beeinflussten männlichen Stimme von Léon, die in einem starken Kontrast zu der akustischen, teils mit alten Instrumenten erzeugten Musik steht. Bei dieser werden zum größten Teil wunderschöne Melodien aufgefahren, die, so könnte man meinen, von dem gutturalen Gesang ein wenig zertrampelt werden. Der stellenweise aufkommende Flüstergesang oder die bei „Les Guerres Picrocholines“ vorkommenden Choreinlagen passen definitiv besser zu der mehrheitlich recht zerbrechlich wirkenden Musik. Vielleicht sollte man in Zukunft im Allgemeinen auf eine etwas sanftere Stimmlage setzen und das Harsche vielmehr nur als Akzentuierung nutzen? Nichtsdestotrotz ist das alles nur eine Frage der Gewöhnung. Nach mehreren Durchgängen wird man sich auch mit dem hier Gebotenen sehr gut arrangieren können. Schließlich ist diese Mischung eine Art mittelalterliche Tavernen-Romantik, mit teils echt fetzigen Akustikgitarren, die das Tanzbein zum Mitmachen animieren, aber auch vielen verträumten Klängen, welche die Gedanken schon mal gerne in andere Sphären abschweifen lassen. Und das gefällt! Das neunte Lied ist übrigens eine Interpretation eines alten Musikstückes aus der Renaissance- und Barockzeit, welches einigen vielleicht schon u. a. durch das Lied „Play Minstrel Play“ von Blackmore’s Night bekannt ist. Die Leitmelodie dieser Komposition wird im nachfolgenden Stück „Le Pacte des Villes“ auch noch einmal aufgegriffen, was den zehnten Song zu einem kleinen Highlight macht. Lediglich das letzte, auf Deutsch gesungene Lied fällt ein wenig aus dem Rahmen, wirkt es irgendwie eckig, nicht nur in Hinblick auf die Aussprache. Für solche Experimente sollte man in Zukunft doch lieber einen Muttersprachler verpflichten, so wie es bei den Landsleuten von Geisterfels auf deren Debüt geschehen ist.

„Les Grandes Compagnies“ übt definitiv einen ganz bestimmten Reiz aus, allein schon wegen dem extra für das Album angefertigten Artwork. Man muss sich nur darauf einlassen und schauen können, ob es etwas für einen ist. Ich bin, muss ich ehrlicherweise gestehen, zunächst auch eher skeptisch dieser Musik gegenüber gewesen, weil ein paar kurz getätigte Hörproben es keineswegs schafften, mir das richtige Bild von dieser Aufnahme zu vermitteln. Erst durch eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Album hat sich mir die auf ihre ganz eigene Art und Weise doch sehr geniale und andersartige musikalische Welt von Grylle offenbart. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es vielen anderen potenziellen Hörern genauso ergehen wird. Deshalb rate ich jedem, diesem Projekt eine reelle Chance einzuräumen! Neben der regulären CD-Edition ist das Album übrigens auch noch als eine schöne LP mit zwei Bonus-Tracks erhältlich.

Tracklist
1. En la Forest Dennuyeuse Tristesse
2. Les Dernières Fées de France
3. France, Qui Te Veult Mal?
4. Gothique Anjevin
5. Hommaje a la Pomme de Pin
6. Loz en Croissant
7. Que Chaque un Sonje a Se Pourvoir!
8. Les Guerres Picrocholines
9. Quand Je Bois du Vin Clairet
10. Le Pacte des Villes
11. Wir zogen in das Feld

Geschrieben von Adam am 4. März 2020