Ich grüße Dich Dominic! Nun ist es endlich soweit, das neue Album wird veröffentlicht, und wir nehmen unser Gespräch wie versprochen wieder auf. Und ich freue mich auch Dich Jens bei dieser zweiten Befragungsrunde begrüßen zu dürfen! Doch bevor wir gleich genauer auf das neue Album eingehen: Befürchtet Ihr nicht durch den Wechsel zu Avantgarde Music von neuen potenziellen Hörern direkt in die Avantgarde-Black-Metal-Ecke bugsiert zu werden? Ich merke gerade selbst am Eigenversuch, dass der Begriff Avantgarde im Black Metal nicht gerade mit Sympathiepunkten behaftet ist bzw. dass viele mit diesem weitgefächerten Begriff so gar nichts anfangen können…
Jens: Das mag alles sein, aber ich persönlich gebe auf Genres und Untergenres eh wenig. Eine Band wie Arcturus beispielsweise, welche zumindest früher immer gerne als Avantgarde bezeichnet wurde, ist für mich genauso Black Metal wie Darkthrone. Ich hab manchmal das Gefühl, dass Avantagarde im Zusammenhang mit Black-Metal-affinen Kapellen als Stilbezeichnung vor allem die Bands bezeichnet, die man in anderen Genres wegen der Herangehensweise sonst als progressiv bezeichnen würde, so wie etwa die späteren Death-Alben, welche als Progressive Death Metal durchgehen. Da es anscheinend keine Progressive-Black-Metal-Band geben darf, nennt man die halt „Avantgarde“, was ja auch noch elitärer klingt. Letztendlich kann man eh niemanden daran hindern, alles in eine Schublade zu packen. Wenn dies anhand des Namens Deines Labels geschieht, finde ich das zwar eher amüsant, aber dann ist das halt so. Hmm, haben Ultha dann zuletzt „Century Media Black Metal“ gemacht?
Dominic: Jens hat es ganz treffend formuliert, zumal sich dank Social-Media-Plattformen heutzutage jeder recht schnell einen Höreindruck verschaffen kann. Den Vergleich zwischen Progressive und Avantgarde kann man dabei so stehen lassen. Sobald etwas anders klingt als gewohnt, wird halt eine neue Schublade aufgemacht, und davon gibt es im Black Metal bekanntlich viele. Von Avantgarde bis Melodic, Post, Raw und auch True (und vieles mehr), das ist ja alles in unserem neuen Werk vorhanden! Quasi das IKEA-Regal der Musikrichtungen. Wir bezeichnen uns weiterhin als Black Metal, da dies im Kern trotz fehlender Scheuklappen musikalisch weiterhin zutrifft und auch so bleiben soll. Und Hand aufs Herz Adam, Avantgarde Music dürfte den meisten Hörern mittlerweile wieder bekannt sein (eine Weile lang gab es freilich recht wenig Black Metal auf diesem Label).
Ich hoffe es stark für Euch, dass sich niemand durch Scheuklappendenken von Euch abwenden wird. In meinem speziellen Fall habe ich jetzt nur meine aktuelle Veröffentlichung gemeint, welche als Avantgarde Black Metal bezeichnet wird, und nicht mein gesamtes Label, das aber nur mal am Rande angemerkt, um jetzt keine unbeabsichtigte Verwirrung zu stiften. Doch bei Eurem neuen Album kann ich es auch nur noch bekräftigen: Im Kern ist „A Grey Chill and a Whisper“ ein bockstarkes, beinhartes und durch die vielen Einflüsse sehr abwechslungsreiches Stück Black Metal geworden. Eindeutig 100% Beltez! Mit Avantgarde Music im Rücken werdet Ihr dieses Mal sicherlich auch noch verstärkter auf internationale Zuhörerschaft abzielen können, nicht wahr? Diesen Eindruck könnte man auch dadurch gewinnen, weil die separat vertone Geschichte (mit Dan Capp als Erzähler hab ich ja bei unserem ersten Gespräch auch direkt ins Schwarze getroffen, haha…) komplett auf Englisch verfasst ist. Dabei würde sich doch gerade bei einer Kölner-Erzählung, was auch noch durch das Cover mit dem Kölner Dom besonders stark unterstrichen wird, die deutsche Sprache mehr anbieten, oder nicht? Eine deutsche Fassung des „Hörspiels“ ist nicht geplant, oder kommt da noch etwas? Ich kann es mir zumindest vorstellen, dass gerade viele deutsche Hörer sich mit der langen englischen Erzählung gar nicht wirklich auseinandersetzen werden. Dank Corona befinden wir uns auch, wenn man diversen Stimmen Glauben schenken darf, in einem Prozess der Entglobalisierung… Vielleicht wollt Ihr die Story mal hier grob umreißen? Um was geht es in der Erzählung?
Jens: Vielen Dank für die Blumen. Hmm… Im Endeffekt haben wir uns seit der „Neugründung“ der Band ca. 2015 auf englische Texte fokussiert. Das war schon eine bewusste Entscheidung, aber ob wir damit bewusst versucht haben internationaler zu werden? Ich glaube, wir haben uns da nicht so sehr Gedanken drum gemacht. Für uns war es vielmehr wichtig, das Ganze ein bisschen ernsthafter zu betreiben.
Was ich damit meine: Die Entstehungsgeschichte von Beltez hat Dominic ja schon im ersten Teil dieses Interviews ausgebreitet, „Beltane“ und „Tod: Part 1“ fühlen sich heute wie Platten einer anderen Band an, auch wenn ich speziell die „Tod: Part 1“ immer noch sehr mag. Ursprünglich hatten Dominic und Marc den Rest ja nur zusammengetrommelt, um ein paar Konzerte zu spielen. Alles andere haben wir bewusst offen gelassen. Als dann irgendwann klar wurde, dass wir anfangen würden neue Songs zu schreiben, war auch schnell klar, dass wir das jetzt etwas anders angehen würden. Das meine ich mit „Neugründung“ und „ernsthafter“.
Ich persönlich bin kein Fan von deutschen Texten, das bekommen meiner Meinung nach nur ganz wenige peinlichkeitsfrei hin, z. B. Marcel von Nocte Obducta. Als wir Ulrike angefragt haben, ob sie für uns eine Geschichte schreiben würde, war schnell klar, dass wir sie auf jeden Fall in Englisch haben wollten. Sicherlich doch auch mit dem Hintergedanken der Internationalität. Einen Bezug zu Köln allgemein und zum Dom speziell gab es nicht. Ulrike ist, genau wie ich, ein „Immi“, also nach Köln zugezogen. Das Gebäude auf dem Cover gab es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, es ist das, was Ben als Cover-Künstler sich unter Inspiration durch Ulrikes Geschichte ausgedacht hat. Dass Du das als den Kölner Dom interpretierst, finde ich angesichts unserer geografischen Basis zwar nachvollziehbar, war aber nie unsere Absicht. Ulrike hatte eine andere mittelalterliche Stadt als Inspiration in Kopf, mir ist nur gerade entfallen welche. Bezüglich einer deutschen Fassung: Für unsere – leider Corona-bedingt ausgefallene – Lesung mit Konzert auf der Kölner Literaturnacht hat Ulrike die Geschichte ins Deutsche übersetzt. Doch eine deutsche Fassung des Hörbuchs ist derzeit nicht geplant. Hmm… Aber vielleicht machen wir doch noch mal was in dieser Richtung.
Die Geschichte selbst handelt von Freundschaft, Loyalität und Opferbereitschaft, ist also nicht sehr blackmetallisch. Wer die Story noch selbst in Ruhe studieren möchte, der sollte nun den Rest dieses Absatzes überspringen… In eine Stadt, welche von der Außenwelt vergessen in Nebeln versunken vor sich hin dämmert, kommen regelmäßig gefürchtete dunkle Gestalten von einer nahen Festung. Das ist der „Dom“ auf dem Cover by the way. Wenn sie in der Stadt sind, hinterlassen sie vor einem Haus ein schwarzes Banner. Dies signalisiert, dass sie in kurzer Zeit zurückkommen und einen Bewohner des Hauses mitnehmen werden, um einer der ihren zu werden. In der Stadt leben zwei junge Burschen, welche sehr eng befreundet sind. Einer von beiden wird „ausgewählt“. Nach einem misslungenen Fluchtversuch ergibt sich der Ausgewählte in sein Schicksal. Sein Freund versucht andere zu mobilisieren, um ihn zu retten, aber niemand hilft ihm. Daher fasst er den Entschluss, alleine zur Festung zwecks Errettung seiner Freundes zu gehen. Am Ende scheitert er, doch rettet er damit alle anderen Bewohner der Stadt, denn durch sein Opfer wird die Festung zerstört. Wir haben noch eine Coda zur Geschichte verfasst, im letzten Song „We Remember to Remember“. Die Menschen vergessen die Namen der Retter, dann die Taten und am Ende erinnern sie sich nur noch sich zu erinnern.
Als uns Ulrike die Geschichte schickte, waren wir alle hin und weg. Zum einen weicht sie natürlich von jeglicher Klischee-Black-Metal-Thematik ab, was ich persönlich sehr gut finde, und zum anderen ist sie als Geschichte einfach nur spannend.
Dominic: Ich tat mich schon länger mit deutschen Texten schwer. Ich würde neben Nocte Obducta auch noch Helrunar positiv erwähnen, die Anzahl negativer Beispiele ist allerdings dabei beliebig lang und begrenzt sich ja nicht nur auf den Black Metal. Ansonsten erweitert die Verwendung der englischen Sprache natürlich auch deutlich die Personenanzahl, die man mit seiner Musik erreichen kann. Gerade „Exiled, Punished… Rejected“ wurde international sehr wohlwollend aufgenommen. Dieser Fakt gibt unserer Entscheidung also recht.
Zur Geschichte hat Jens ja schon alles wichtige gesagt. Ich persönlich finde es auch sehr spannend, ein Thema abseits der üblichen Black-Metal-Schablonen vertont zu haben. Zum Cover überlege ich gerade fieberhaft, welche Stadt Ulrike doch gleich im Kopf hatte…
Also wenn ich so darüber nachdenke, dann fallen mir mehr gute als schlechte deutsche Texte im Black Metal ein. Brauche nur blind in meinen CD-Schrank zu greifen, haha… Die deutsche Sprache ist außerdem sehr ausdrucksstark, und vieles lässt sich auf Englisch sicherlich nicht so wie auf Deutsch ausformulieren, würde ich mal in den Raum einwerfen. Muttersprachler sollten in der Regel davon profitieren, denke ich. Und es gibt sicherlich auch genügend Beispiele mit englischen Texten von nicht Muttersprachlern, die nicht gut ausgeschmückt, aufs Wesentliche reduziert und dadurch irgendwie banal wirken. Auf Euch trifft dies aber natürlich nicht zu, und schließlich habt Ihr diesmal ja Ulrike mit den Texten beauftragt, die deutsche wie auch englische Wörter als tägliche Werkzeuge nutzt. Warum habt Ihr aber nicht selber zur Feder gegriffen? Hattet ihr evtl. Bedenken, Euren hohen Ansprüchen nicht gerecht werden zu können? Und habt Ihr Ulrike freie Hand bei der Ausarbeitung der Story gelassen, oder hattet ihr Euch im Vorfeld einen groben Handlungsstrang ausgedacht? Die Story hat auch etwas von so einer Buchreihe à la „Twilight Saga“, meint Ihr nicht auch?
Jens: Na ja, die eigentlichen Texte haben wir ja schon selbst geschrieben, und die sind sicherlich jetzt keine hohe Poesie. Keine Ahnung, mein persönliches Befinden ist, dass deutsche Sprache und härtere Musik bis auf wenige Ausnahmen einfach nicht zusammenpassen. Ist natürlich absolute Geschmackssache, wie alles. Bin da sicherlich auch ein ganzes Stück weit voreingenommen. Wobei ich durchaus irgendwann in meinem Leben auch mal deutsche Texte geschrieben habe. Ulrike haben wir dazugeholt, weil keiner von uns eine wirkliche Idee für eine packende Geschichte hatte. Klar hätte man irgendwas von dunklen Wäldern oder etwas in der Art schreiben können, wahrscheinlich wären wir damit auch durchgekommen. Aber nachdem klar war, dass wir zum einen wieder ein Konzeptalbum machen und zum anderen dieses Mal nicht wieder ein Buch adaptieren wollten, musste halt eine „richtige“ Geschichte her. Da man sich damit wahrscheinlich noch schneller in die Nesseln setzen kann, als wenn man nur deutsche Songtexte schreibt, hat sich keiner von uns zugetraut, einfach mal eine solche Geschichte zu schreiben. Ulrike haben wir zufälligerweise auf dem gleichen Konzert getroffen wie Sebastian, der damals noch bei Verheerer getrommelt hat, nämlich auf dem Culthe Fest 2018. Sie hatte dort mit Marcel von Helrunar eine Lesung. Kurz darauf haben wir uns dann ernsthafte Gedanken gemacht, wie wir das jetzt mit der Geschichte machen sollen. Jemand hat dann vorgeschlagen, Ulrike zu fragen, ob sie uns nicht was schreiben würde. Zu unserem großen Erstaunen hat sie sofort zugesagt. Sie hat uns dann ein paar Fragen wie „Bunt oder grau?“, „Heiß oder kalt?“ gestellt. Davon abgesehen, haben wir ihr dann vollkommen freie Hand gelassen. Da ich die Twilight-Reihe weder gelesen noch die Filme gesehen habe, kann ich leider nicht mitreden, ob es da Parallelen gibt, ich ahne aber, worauf Du hinaus willst. Sicher ist Ulrikes Geschichte nicht eine typische Black-Metal-Geschichte, dafür ist das Freundschaftselement wahrscheinlich zu stark, aber ich kann dem Ansatz „an den eigenen Überzeugungen festhalten und tun, was man für richtig hält, egal wie schlecht die Chancen stehen und was alle anderen sagen“, durchaus was abgewinnen. Zumal das Ende, das ich hier nicht spoilern möchte, ja eher bittersüß ist, und wir mit der angehängten Coda „We Remember to Remember“ es noch einmal ein bisschen weniger süß gemacht haben.
Dominic: Ich möchte hier jetzt keine Beispiele nennen, aber es gab und gibt diverse Bands aller Genres, deren Texte mächtig zum Fremdschämen sind, die Texte unserer ganz alten Veröffentlichungen eingeschlossen, aber da steckte ja auch eine andere Intention dahinter. Das passiert gerne in der deutschen Sprache, wenn man großen lyrischen Vorbildern folgt, dabei aber dann doch schneller die Abbiegung Richtung Groschenroman nimmt. Wenn man dann jedoch versucht auf Englisch zu texten, die Sprache aber nicht beherrscht, entstehen dann solch wunderbare Beispiele wie „Shattered corpses are falling down the street“. Tatsächlich so gelesen bei einer damaligen lokalen Band. Den Vergleich zu „Twilight“ sehe ich aber nicht. Weder haben wir eine Liebesgeschichte noch Vampire. Gegenfrage Adam: Welche Ähnlichkeiten zu „Twilight“ siehst Du denn? Jetzt bin ich wirklich gespannt wie ein Flitzebogen!
Um Deine Frage zu beantworten, Dominic: Auch wenn Ihr keine Liebesgeschichte oder Vampire in der Story habt, so versprüht die Geschichte von Ulrike ebenfalls so eine mysteriöse, geheimnisumwobene Atmosphäre, wie sie eben in so ausgetüftelten Fantasy-Romanen oft zu finden ist. Und das ist jetzt nicht negativ sondern vielmehr positiv von mir gemeint! Anstatt „Twilight“ hätte ich aber auch „John Sinclair“ als Vergleich heranziehen können (um die Groschenromane somit in etwas positiveres Licht zu rücken, denn einige von ihnen haben einen echten Kultstatus erlangt), oder eine andere beliebige Geschichte, die einen Spannungsbogen aufweist, der nicht von dieser Welt zu sein scheint. Das, denke ich, ist auch die Stärke von Ulrikes Geschichte, etwas Unbegreifliches, das sich einem erst nach und nach offenbart… Und das hebt Euer neues Album auf einen neuen Level. Das seht Ihr bestimmt genauso, oder?
Jens: Da hast Du vollkommen Recht. Ich verstehe jetzt auch deutlich besser, was Du gemeint hast. So was in der Art hatte ich gehofft, aber gerade bei „Twilight“ sind bei mir alle Alarmglocken angegangen… Ich habe das zwar, wie bereits gesagt, damals komplett umschifft, aber man wurde doch oft gefragt, ob man Team Edward oder Team wie-auch-immer-der-andere-heisst sei. Ich finde die Atmosphäre der Geschichte von Ulrike einfach nur genial, gerade in der von Dan gelesenen Fassung, die bei mir durchaus ab und an mal im Player landet. Ist wie bei Filmen: Aus einem guten Drehbuch kann ein schlechter Film entstehen, aber aus einem schlechten Drehbuch wird niemals ein guter Film.
Dominic: Mit dieser Einschätzung bin ich dann auch zufrieden! „Twilight“ hat ja im Bereich der Teenie-Literatur durchaus seine Berechtigung, aber der Vergleich hinkte zuerst sehr arg, aus meiner Perspektive betrachtet. So wie Du das jetzt aber erläutert hast, macht das auch für mich Sinn. „John Sinclair“ hätte unseren alten Drummer Stephan als Vergleich sicherlich sehr gefreut, da er von der Hörspielserie ein recht großer Fan war. Und dass Ulrikes Geschichte das Album auf einen neuen Level hebt, sehe ich auch so. Das Projekt war abseits vom normalen Songwriting ambitioniert, und Jens hat da einen tollen Job gemacht, indem er die ganzen Akteure und das Hörspiel inklusive der Musik passend untermalt hat.
Haha, mir ist auf die Schnelle nichts anderes aktuelles als Vergleich eingefallen… Aber gut, dass dies nun geklärt ist… Aber sagt mal, hattet Ihr irgendwelche Schwierigkeiten die Musik auf den Text von Ulrike abzustimmen? Es ist sicherlich nicht einfach passende Songs zu einem bereits bestehenden Text zu schreiben, nicht wahr? Oder habt Ihr die Musik unabhängig von den Texten komponiert und das Ganze dann später passend zusammengeführt? Kann mir gut vorstellen, dass Ulrike und Ihr parallel an dem Album gearbeitet habt, denn es hat bestimmt auch lange gedauert so eine recht komplizierte Storyline zu verfassen. Oder was es doch ganz anders?
Jens: Ulrike hat geschrieben und uns dann Knall auf Fall die fertige Geschichte zugeschickt. Wir haben die dann gelesen und festgestellt, dass wir alle mit ihr sehr zufrieden waren, daher hatten wir keine Änderungsvorschläge. Zu der Zeit standen schon ein paar Songs. Wenn ich mich recht erinnere, waren das „The City Lies in Utter Silence“, „Black Banners“ und der Titeltrack. Die Songs hatten da natürlich noch keine oder andere Namen. Wir haben die Geschichte dann in Segmente zerlegt, die bestehenden Songs aufgeteilt und erst mal einfach weiter Musik geschrieben. Jetzt hatten wir natürlich die Geschichte im Hinterkopf, aber zumindest rückblickend würde ich sagen, dass wir jetzt nicht bewusst was gemacht haben à la „oh, wir brauchen noch eine Stelle, die total verzweifelt ist“. Der Anfang von „The Unwedded Widow“ z. B. ist spontan im Proberaum entstanden, was bei uns sehr, sehr selten ist. Dominic hat diesen dann aufgegriffen und den restlichen Song drumherum gestrickt. Irgendwann war uns klar, dass das Ende doch ein bisschen zu „unfinster“ war, daher haben wir noch die Coda draufgepackt. Deshalb findet man die auch nicht in der Geschichte, aber ich denke, dass jedem, der die Geschichte und die ersten Zeilen des Textes von „We Remember to Remember“ liest, auch klar sein wird, an welcher Stelle wir den Faden aufgenommen haben.
Dominic: Jens hat das richtig in Erinnerung. Am Anfang stand „The City Lies in Utter Silence” noch mit einem vollkommen anderen Intro als im fertigen Song zu hören, zudem noch „A Taste of Utter Extinction“. „A Grey Chill and a Whisper“ besteht aus übrig gebliebenen Riffs aus der Songwriting-Phase von „Exiled, Punished… Rejected“ und ist somit definitiv der älteste Song auf dem Album. Riffs aus der alten Version von „A Grey Chill and a Whispe“ haben es dann tatsächlich auch in „Black Banners“ geschafft. Da ich immer recht viel schreibe und aufnehme, gibt es immer etwas was nicht direkt verwendet wird, weil einige Idee eben nicht immer direkt griffig werden. Vom Gefühl her waren die fertigen Songs dann aber recht einfach den unterschiedlichen Abschnitten der Geschichte zuzuordnen gewesen, da sie die verschiedenen Stimmungen gut eingefangen haben.
Adam, ich hab Dich übrigens nie gefragt, woher Du Ulrike kennst. Ihr scheint Euch ja auch schon etwas länger zu kennen, oder?
Ulrike habe ich über Thor kennengelernt. Wir sind sozusagen Schreiberling-Kollegen seit den guten alten Hammerheart-Fanzine-Zeiten. So klein ist die Welt, haha… Je älter man wird, desto kleiner wird sie auch irgendwie, kommt mir zumindest so vor… Aber um auf Euch zurückzukommen: Werdet Ihr so ein Vorgehen wie bei „A Grey Chill and a Whisper“ wiederholen? Oder wollt Ihr jedes Mal neue Wege gehen? Bisher habt Ihr das zumindest immer getan…
Jens: Ganz ehrlich, keine Ahnung! Ich hatte dieses Mal schon Schiss, dass wir uns zu sehr wiederholen würden. Wir haben ja auf der „Exiled, Punished… Rejected“ schon eine Geschichte adaptiert, wenn auch nur teilweise und nicht so sehr aufeinander abgestimmt. Auf der einen Seite hat mir der Prozess jetzt sehr viel Spaß gemacht, und die Reaktionen sind bislang ja auch sehr, sehr gut. Aber auf der anderen Seite will ich mich diesbezüglich nicht jetzt schon einschränken, zumal wir im Moment die Zeit recht produktiv nutzen und – jeder für sich – an neuer Musik werkeln. Proben ist dank Covid-19 im Moment ja nicht möglich. Sagen wir es einfach mal so: Ich würde es nicht ausschließen, will mich aber auch noch auf nichts festlegen. Am besten, wir ballern einfach „Der Tod, Part 2“ als Nächstes raus. Ähnlich wie Nocte Obductas „Schwarzmetall (Ein primitives Zwischenspiel)“, an nur einem Wochenende im Proberaum eingeprügelt und natürlich in Mono gemixt.
Dominic: Jetzt schließt sich auch endlich der Kreis für mich! Aber schön, dass sowohl Du als auch Thor dem Fanzine-Dasein weiterhin erhalten bleibt. Ich finde es auch immer noch toll, dass hier der Enthusiasmus weiterhin besteht. Etwas Gedrucktes ist einfach etwas anderes als etwas Digitales. Zum nächsten Album folgendes: Das Problem, das ich dabei sehe, ist, dass man in den typischen Grave-Digger-Turnus verfällt, sprich, es wird erwartet, Konzeptalben abzuliefern. Da sich das Vorgehen aber eingeschlichen hat, sage ich niemals nie. Die Idee mit „Der Tod, Part 2“ schwebt ja schon länger im Raum herum, auch genau mit der Grundidee, wie Jens sie gerade beschrieben hat, sprich roher und ungestümer in der Herangehensweise. Aber lassen wir uns einfach mal überraschen!
Überraschen lasse ich mich gerne! Und da vorerst alle Kreise geschlossen zu sein scheinen und die Leser nun mehr als heiß auf „A Grey Chill and a Whisper“ sein dürften, bedanke ich mich ganz herzlich für Eure Zeit und die sehr ausführlichen Antworten! Wir sprechen uns wieder, gar keine Frage, so in etwa einer Woche nach dem Lockdown, wenn „Der Tod, Part 2“ eingeprügelt ist, haha… Ist eh schon unglaublich, dass Ihr bereits daran arbeitet, obwohl das neue Album gerade erst jetzt zu haben ist. Hut ab! Das ist echter Metal- Enthusiasmus und das merkt man Eurer Musik auch an!
Jens: Na ja, wir arbeiten an neuer Musik, ob das jetzt direkt „Der Tod, Part 2“ wird, das werden wir sehen… Viel anderes als Musik machen ist ja im Moment auch nicht möglich. Der Enthusiasmus ist auf jeden Fall immer da, auch wenn es aktuell echt ein bisschen frustrierend ist. Man hat eine neue Platte, die wird fast überall total abgefeiert, doch man kann nicht wirklich was mit ihr machen! Ich sehe uns halt nicht als die Band, die Playthroughs auf YouTube macht, nur um Aufmerksamkeit zu erheischen. Na ja, es ist wie es ist… Immerhin dauert es bis zur nächsten Platte dann hoffentlich nicht ganz so lange. Eventuell schaffen wir es ja auch noch ein paar Konzerte unter Corona-Bedingungen zu spielen. Wir sind da auf jeden Fall dran…
Vielen Dank an Dich Adam für die coolen Fragen! Und an alle da draußen: Unterstützt eure lokale Szene! Wenn die Clubs jetzt sterben, wird es Jahre dauern, bis sich da wieder was aufgebaut hat. Was das für den Underground bedeutet, das kann sich wohl jeder selbst ausmalen. Bleibt ansonsten gesund und munter und seid mal richtig Black Metal! Und haltet Abstand voneinander!