Waldruine - Nachtmeerfahrten

Waldruine – Nachtmeerfahrten

Hammerbund
2024

Lautes Rabenkrächzen, einschneidende Gitarre und sehr dominant im Vordergrund stehende, an ein Orgelspiel erinnernde Synth-Klänge. Zusammen mit dem ikonischen Bild des Frontcovers lässt bereits das kurz angestimmte Intro „Initiation: Einmarsch“ großflächige Bilder mit zwielichtigen, stürmischen Szenarios im Kopf des Zuhörers entstehen. „Nachtmeerfahrten“, das Debüt der noch jungen, aktuell zum Duo geschrumpften Formation Waldruine – der Schlagzeuger ist nach den Aufnahmen dieses Albums aus persönlichen Gründen aus der Band ausgestiegen – ist eine relativ klassisch ausgerichtete und recht rudimentäre, sich halt eben wie die namensgebende Ruine darstellende Aufnahme des mondlosen Black Metals. Die „Totenkopf-Matrix“ bringt die schwarze Maschinerie auch sogleich richtig rasend in Gang, es wird zünftig gehobelt, so dass wirklich viele Späne anfallen. Doch man ergießt sich hier nicht nur in purer Raserei; die weiteren Stücke sind mehrheitlich im Mid-Tempo gehalten und vermitteln eine eher nächtlich schlendernde Waldstimmung. Dabei sticht die Gitarrenarbeit von N. N. Libra, der weiblichen Hälfte von Waldruine, dem Hörer besonders markant ins Ohr. Ihr Spiel ist absichtlich sehr vordergründig abgemischt und lässt permanent scharfkantig vorgezeichnete Motive vom Stapel los, die wirklich ausnahmslos nur etwas für echte Black-Metal-Herzen gedacht zu sein scheinen. Doch trotz des insgesamt recht rohen Gesamtbildes mit oft schepperndem Schlagzeug und aus dem Unterholz röchelndem Bass schafft es der Silberling dennoch eine ganz spezielle Atmosphäre aufzubauen, eine ganz und gar nicht behagliche, die vielleicht mit der des Kultstreifens „The Blair Witch Project“ Hand in Hand gehen könnte. Also eher ziemlich beklemmend, verwirrend und ein wenig verstörend, aber sich unverkennbar okkult und satanistisch gebend und somit den bevorzugten thematischen Hauptinteressen wie -gebieten der Band entsprechend. Mit wild bemalten Corpsepaint-Augen betrachtet, könnte das Album sicherlich auch der perfekte Soundtrack zu solch einer Erzählung wie „Hella im Black-Metal-Land“ von Abo Alsleben sein. Besonders passend und hervorstechend und regelmäßig ins finstere Gefüge eingestreut sind die schon erwähnten synthetischen Keyboard-Effekte. Diese bringen zwischendurch immer wieder eine rituell angestaubte, fast schon sakrale Hochstimmung hervor, die sich stets bestens in die Gesamtheit einfügt und wirklich erhabene, in der Luft knisternde Momente zu beschwören imstande ist. Das bereichert den Sound ungemein und ist definitiv die konstruktive Komponente, die zukünftig noch beträchtlich stärker bzw. intensiver herausgearbeitet werden könnte. Am besten den fünften, von mir favorisierten Track „Septem Passus Draconis Magni: V.I.T.R.I.O.L.“ in die Ohren stopfen und sich selbst davon überzeugen lassen.

Waldruine haben mit ihren „Nachtmeerfahrten“ ein durchaus gelungenes und recht eigenes sowie abseits der gültigen, die Szene zum größten Teil beherrschenden Normen stehendes Werk aus dem nackten Boden gestampft. Das erfordert Mut und verdient Respekt. Unbedacht und blauäugig war allerdings die Tatsache, das Album über ein Label zu veröffentlichen, das ganz offensichtlich tiefbraun gefärbte Musik unterstützt. Ein Fehler, den die Band bereits bereut. Die weiteren Züge sollten deshalb mit Bedacht abgewogen werden und sollten ehrlich darauf abzielen, diesen Fehler glaubwürdig und so gut es eben geht zu bereinigen. Auch das zeugt von Mut, sich solch einen groben Patzer einzugestehen. Viele werden dies allerdings nicht so sehen, dessen bin ich mir bewusst. Doch einer gestrauchelten Person hilft man eben wieder auf die Beine und lässt sie nicht noch mehr im braunen Sumpf versinken. Gerade die sich bunt und ach so liberal gebende Metal-Szene sollte lernen, auch mal Fehler zu verzeihen, und das völlig egal mit welcher Hand, ob der linken oder rechten, sie begangen worden sind. Und schließlich ist der Metal doch unpolitisch, oder? Labels, sowohl ultralinke wie ultrarechte, die politisch motivierten Bands eine Plattform bieten, sich selbst aber gerne als unpolitisch darstellen, schürfen immer wieder den Boden für diese ewig anhaltenden Grundsatzdiskussionen, die man sowieso nie auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann. Am Ende zählen eh nur Taten, nicht leere Worte.

Tracklist
1. Initiation: Einmarsch
2. Totenkopf-Matrix
3. Das Gesetz des Trapezoeders: Die elektrischen Vorspiele
4. Todes-Fluch: Neidstange
5. Septem Passus Draconis Magni: V.I.T.R.I.O.L.
6. Das kriechende Chaos
7. Ubique Diabolus
8. Daimon Vortex
9. Epilog: Eschaton Ritus

Geschrieben von Adam am 16. Februar 2025